Leben im Innern des Atomreaktors

Leben im Innern eines Atomreaktors

 

Dr. Rolf Roböse

 

Ist eine hohe Dosis ionisierender Strahlung nicht das absolute „Aus“ für Leben jeglicher Art? Wer wie vermutlich die meisten diese Frage spontan mit „ja“ beantwortet, wird durch Deinococcus radiodurans eines Besseren belehrt. Unglaublich aber wahr: Der Organismus kann sogar im Kühlwasserkreislauf eines Atomreaktors überleben. Erst bei der unglaublich großen Strahlendosis von über 18.000 Gy (Gray) (1Gy = 1J/kg = 100 Rad) ist der LD50-Wert erreicht. Das ist der Wert, bei der ein Überleben genauso wahrscheinlich wie das Sterben durch die Strahlung ist.

In diesem Zusammenhang ein schauriger Vergleich: Bei den Atombombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki wurde eine Strahlendosis von 10 Gy freigesetzt. Daraufhin starben die meisten Menschen innerhalb von ein bis zwei Wochen. Eine Strahlungsdosis ab 50 Gy soll zufolge strahlenmedizinischer Schätzungen auf Menschen unmittelbar tödlich wirken.

Die außergewöhnliche Widerstandskraft eignete sich die Mikrobe im Laufe von rund zwei Milliarden Jahren an. Ihre Überlebenskunst zieht sie aus ihrer Fähigkeit zur Selbstheilung, die in ihrer Präzision einmalig ist. Innerhalb weniger Stunden ist es dem Bakterium möglich, Schäden an Zellen und DNA mit bis zu 500 Aktionen zu reparieren, während das Darmbakterium Escherichia coli vergleichsweise gerade einmal zwei bis drei schafft. Dieser Reparaturmechanismus erlaubt sogar das Beheben von Doppelstrangbrüchen, eine besonders schwere Form der DNA-Schädigung. Das Geheimnis liegt in den vier Kammern des urzeitlichen Überlebenskünstlers, in die jeweils eine DNA-Kopie in einer ringförmigen Anordnung eingeschlossen ist. Der dichte Ring dient als Barriere zur Zellflüssigkeit. Abgetrennte DNA-Stücke können so nicht verloren gehen und innerhalb des Rings wieder korrekt zusammengefügt werden. Auf diese Weise kann Deinococcus radiodurans 1000fach stärkere Strahlendosen als jeder andere bekannte Organismus überleben.

Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen sind nun darauf erpicht, die unglaublichen Fähigkeiten von Deinococcus radiodurans einer wirtschaftlichen Nutzung zuzuführen. Erste Versuche zeigten, dass die Mikrobe in der Lage ist, Atommüll zu verzehren und ihn in leichter zu verarbeitende Produkte um. Bis zum regulären wirtschaftlichen Einsatz sollen allerdings noch einige Jahre ins Land gehen. Dann heißt es für Deinococcus radiodurans: Es ist angerichtet! Ihre besondere Widerstandsfähigkeit gegen schädigende Einwirkungen aller Art könnte Deinococcus radiodurans auch für die Anwendung als Datenspeicher in der Informationstechnologie interessant machen.

 

So wird derzeit erforscht, wie Daten in Form künstlicher DNA in den Bakterien gespeichert und wieder abgerufen werden können. US-amerikanische Informatiker im US-Bundesstaat Washington übersetzten den englischen Text des Kinderliedes „It's a Small World“ in den genetischen Code und schleusten die entsprechende DNA-Sequenz in die Gene der Bakterien ein. Noch nach etwa hundert Bakteriengenerationen ließen sich die Strophen in unveränderter Form mit üblicher Sequenziertechnik wieder auslesen, das heißt die eingebrachte Information wurde stabil abgespeichert!

 

Quelle: Rolf Froböse, „Wenn Frösche vom Himmel fallen – die verrücktesten Naturphänomene“.        (Wiley-VCH, 2007) 

 

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Felix qui potuit rerum cognoscere causas  

 

 

Gemäß dem Vergilschen Motto bietet die Augustinus-Akademie ein Studienforum zur geistigen Neuorientierung, Vertiefung eigener Schwerpunkte und Erweiterung und Ergänzung vorhandener (Er-)Kenntnisse.  Viele Gelehrte sind angefüllt mit einer selbst erarbeiteten Wissenschaft, oft erweisen sie sich aber als ungeeignet, durch ihr Wissen einen besonderen Eindruck auf die Mitmenschen zu machen, also ihr Wissen adäquat weiterzugeben. Selbst Kult-Wissenschaftler Albert Einstein gehörte zu solchen. Als lehrender Professor an  der Vorgängeruni der Humboldt-Universität versagte er komplett. Es gibt nicht wenige Gelehrte, die ihr geistiges Werk für sich behalten oder es nur im kleinen Kreis präsentieren, sie gelten als "Privatgelehrte". Andere drängt es zur Arbeit am Schreibtisch und späteren Publikationen, von denen sich hier durch kleine oder größere wissenschaftliche Aufsätze einige wiederfinden. Im wissenschaftlichen Austausch kann es es anstehen, die Rede- und Lehrkunst zu erlernen. Vom stillen Leser und Lerner entwickelt man sich zum sozial denkenden Wissenschaftler, der in der Studiengruppe seine Position hat, Wissen weitergibt und annimmt. 

 

Ästhetik-Professor Bazon Brock findet eine ganz eigene Definition von "Akademie":

 

"Die Akademie ist der Versuch, eine Gemeinschaft zu bilden, die dem Academus entspricht, eine Akademie ist ein Zusammenschluß von Menschen, die sich in anstrengenden Zeiten, vornehmlich in Zeiten des Analphabetismus und der allgemeinen Zerstreuung durch kriegerische oder sonstige evolutionäre Prozesse wechselseitig garantieren, daß das, was sie tun, sinnvoll ist. Wir schreiben, wir malen, wir musizieren, wir komponieren und spielen Theater.

 

D.h. eine Akademie wäre ein Zusammenschluß von Menschen, die sich als Schreiber garantieren, daß das Schreiben einen Sinn hat, weil es Leute gibt, die es lesen: nämlich alle anderen Mitglieder der akademischen Gemeinschaft, denn das ist sehr sinnvoll, wenn wir zur Gemeinschaft des akademischen Typs gehören; dann übernehmen wir die Verantwortung dafür, daß Schreiben, Musizieren, Malen sinnvoll von den Malern, Schreibern, Komponisten betrieben werden kann, weil es Leute gibt, die lesen, betrachten, die zuhören und zwar wirklich auf der Ebene der Gleichwertigkeit  des Rezipienten zum Produzenten.

 

 Das hat eine sehr mäßigende und erzieherische Maßnahme, nämlich wenn wir 100 Akademiker in einer  Gemeinschaft hätten, dann könnte jeder Schreiber, um eine Seite zu publizieren nur die Möglichkeit, gelesen zu werden, einklagen, indem er 99 Seiten seiner Kollegen liest.

 

Es ist nur derjenige "Maler", der würdigt, was andere gemalt haben, sonst ist es sinnlos, Maler zu sein. Also sind Akademien heute dringender als je zuvor, Zusammenschlüsse von Leuten, die die Sinnhaftigkeit ihres eigenen Tuns in aller gutsinnigsten Weise begründet haben möchten: diejenige Vergesellschaftung, in der man sich gegenseitig Sinnhaftigkeit garantiert."

 

                     Prof. Dr. Bazon Brock: Kunst als unabdingbare Kritik an der Wahrheit, Vortrag vom 29. Januar 2014

                                                                                                  Bazon Brock ist Rektor der DENKEREI in Berlin SO36