Zur Ökonimiesierung der Medien

Medienökonomie als Ausweg aus dem Finanzdilemma - Hoffnung oder Utopie?

Dr. Christian Hauer

 

Ausgehend von der zunehmenden Kommerzialisierung respektive Ökonomisierung der Medien hat sich eine kommunikationswissenschaftliche Spezialdisziplin seit den 80er Jahren etabliert, welche sich in erster Linie – etwas salopp formuliert – mit der Wirtschaftlichkeit von Kommunikations- und Informationsdienstleistungen beschäftigt. Die Rede ist von der Medienökonomie. Das Konglomerat von Medien und Wirtschaft ist zweifellos mit schnellen Schritten im Vormarsch, da ihre Inhalte zurzeit von den Medienschaffenden dringend benötigt werden, um mit kapitalistischen Entwicklungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts angemessen umgehen zu können. Zeitgenössische Trends wie Globalisierung, Deregulierung, Liberalisierung, Privatisierung und Konvergenz (Konzentrationstendenzen) sowie die Modifikation des Mediensystems und der Medienwirtschaft an sich werfen Fragen nach dem Charakter der produzierten Mediengüter einerseits und nach der Rolle der Organisationen, die diese Medien und ihre Angebote herstellen, andererseits aus unterschiedlichsten Blickpunkten neu auf. „Die jüngsten Umwälzungen der Medienlandschaft bedeuten eine Verschärfung dieser Entwicklung zur absoluten Dominanz des ökonomischen Medienmarkts über politische, soziale und kulturelle Medienmärkte, wobei Publizität, Vielfalt, Kulturkommunikation usw. nur noch als Abfallprodukte der Kommerzialisierung fungieren“ (Faulstich 2004, S. 48). Das medienökonomische Forschungsgebiet repräsentiert also eine Querschnittsdisziplin, die sich wie ein roter Faden durch alle medialen Betrachtungsperspektiven zieht.

 

Aber was versteht man ex definitione unter diesem betriebswirtschaftlich angehauchten Konzept der Medien- und Kommunikationswissenschaften? ALTMEPPEN & KARMASIN (2003b, S. 43f.) beschreiben Medienökonomie als transdisziplinäre Theorie der Medien, wobei nicht Leitwissenschaften, sondern Leitbegriffe im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen sollten: „Medienökonomie ist ein Lehr- und Forschungsprogramm, das die Grundlagen, Formen und Folgen der öffentlichen Kommunikation im Hinblick auf deren ökonomische Verfasstheit zum Inhalt hat. Im Zentrum (…) steht das Zusammen- und Wechselspiel ökonomischer und publizistischer Faktoren.“ Aufgrund eines polymorphen disziplinären Zugriffs auf medienökonomische Phänomene grenzen die Autoren an einer anderen Stelle die transdisziplinäre von der interdisziplinären Medienökonomie (aus der Sicht der Kommunikationswissenschaft) ab. Während sich die eine Sichtweise mit der Kooperation der divergenten Disziplinen Medien- und Kommunikationswissenschaft und den Wirtschaftswissenschaften beschäftigt, untersucht die andere Perspektive soziologische, kulturwissenschaftliche, politikwissenschaftliche und medienphilosophische Bezüge der Medienökonomie (vgl. Altmeppen & Karmasin 2003c, S. 7).

 

Kurz, man kann grundlegend zwei verschiedene Ansätze – die wirtschaftswissenschaftliche (transdiziplinäre) und die publizistikwissenschaftliche (interdisziplinäre) Dimension – von Medienökonomie differenzieren. Wie FAULSTICH (2004, S. 34ff.) ausführt, widmet sich die Medienökonomie aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht den einzelnen Medien (1) als Marktanbieter in Form von Medienunternehmen (z.B. Berliner Zeitung) bzw. -konzernen (z.B. Bertelsmann, Springer-Konzern oder WAZ-Konzern), (2) als Teilmarkt/Branche (z.B. die komplette Buchbranche) und schließlich (3) als gesamter Mediensektor (quartärer Sektor). Das Medienmanagement bezieht sich auf die Arbeitsprozessoptimierung von einzelnen Medienunternehmen, Mikro- und Makroökonomik des Hörfunks wäre ein Beispiel für eine branchenbezogene Untersuchung und Begrifflichkeiten wie Konkurrenz, Kooperation, Konzentration und Komplementarität beschreiben eher das gesamte Mediensystem. Hingegen befasst sich die kommunikations- und sozialwissenschaftliche Sicht mit der Verflechtung des ökonomisch-publizistischen Medienmarktes mit den politisch-gesellschaftlichen Zusammenhängen, die quasi automatisch aus der Unvereinbarkeit von Medienfreiheit und ökonomischen Zwängen resultiert. Die Wertfrage wird in diesem Kontext neu aufgerollt und detaillierter beantwortet. Es fällt auf, dass Beiträge zur Analyse des gesamten Mediensystems von einer eher einseitigen kulturwissenschaftlichen Betrachtungsweise überschattet werden, während die volkswirtschaftliche Medienökonomie fast zur Gänze ausgeklammert bleibt.

 

Auf der Suche nach weiteren Leitlinien, kann man ALTMEPPEN & KARMASIN (2003a, S. 9f.) folgen, die vier Kategorien von medienökonomischen Fragen sichten. Erstens siedeln sich medienökonomische Problemstellungen auf allen drei Untersuchungsdimensionen von Individuum (Mikroebene), Organisationen (Mesoebene) bis hin zur Gesellschaft (Makroebene) an. Jedoch finden die meisten Analysetätigkeiten auf der Mesoebene statt. Zweitens beschäftigen sich Medienökonomen mit Funktionen (monetär, gesellschaftlich), Strukturen (ökonomisch, publizistisch), Akteuren (Medienmanager, Journalisten) sowie deren individuellen Handlungslinien. Drittens findet die systemtheoretische Betrachtungsweise von Medien, die augenscheinlich Institutionen eigener Prägung darstellen, in der Medienökonomie großes Forschungsinteresse. Schließlich und viertens werden ökonomische Effekte auf allen drei Ebenen des sozioökonomischen Prozesses Produktion, Distribution und Konsumtion untersucht. Allerdings tauchen immer wieder Schwierigkeiten hinsichtlich der begrifflichen Vielfalt und Mehrdeutigkeit auf (Altmeppen & Karmasin 2003a, S. 10), die eine Zusammenarbeit von Wirtschaftswissenschaften und Medien- und Kommunikationswissenschaften erschweren:

 

„Der Ökonom spricht vom Produkt, der Kommunikationswissenschaftler vom Inhalt; der Ökonom untersucht die Medienunternehmung, der Kommunikationswissenschaftler die Medien (…); der Ökonom fokussiert den Konsumenten als Souverän, der Kommunikationswissenschaftler den Nutzer mit seinen autonomen Rezeptionsentscheidungen; der Ökonom definiert dem Produkt oder dem Produktionsprozess inhärente Wirkungen, die unabänderlich, aber nicht beabsichtigt sind, als externe Effekte, der Kommunikationswissenschaftler sieht darin, in den Medienwirkungen, den primären Zweck, die gesellschaftlich zugewiesene Aufgabe der Information und Unterhaltung.“

 

Resümierend stellt ALTMEPPEN (2003, S. 232) zweierlei Charakteristika der Medienökonomie im Internet-Zeitalter fest: Erstens muss akzeptiert werden, dass Medienökonomie und Internetökonomie nicht als Synonyme aufgefasst werden dürfen, obgleich die Medienökonomie einen beträchtlichen Fundus an Erkenntnissen für die Internetökonomie liefert. Zweitens darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Internetökonomie Entwicklungen in der Medienbranche wie etwa den Economic Shift, den Cultural Shift und den Convergence Shift beschleunigt. Was ist nun das Fazit der vorliegenden Denkschrift, deren Intention eine kurze Einführung in die Welt der Medienökonomie darstellt? Da sich gemäß KARMASIN (2005, S. 69ff.) die Gesellschaft der Individuen in eine Gesellschaft der Organisationen wandelt, in der die Unternehmung als glokale Hauptakteurin fungiert, liegt meines Erachtens die zentrale Funktion von Medienökonomie auf der Hand. Sie kann sicherlich dabei behilflich sein, sich vor den neoliberalen Pleitegeiern zu schützen, die über manchen Medienbetrieben vermehrt ihre Kreise ziehen. Eine zukunftsorientierte, analytische und planende Vorgehensweise ist dazu erforderlich, die sowohl die publizistischen als auch die ökonomischen Rahmenbedingungen berücksichtigen muss. Wenn der Verleger mit den Medien Geld verdienen will, so erfordert dies angelehnt an den griechischen Reeder Aristoteles Onassis eine proaktive Strategie bei der man nicht reagiert, sondern agiert, denn dem Geld darf man nicht nachlaufen, man muss ihm entgegengehen.

 

Chr. H.

 

Literatur:

 

Altmeppen, K.-D. (2003). „Medienökonomie im Internet-Zeitalter. Problemorientierungen

und Entwicklungspfade“. In: Löffelholz, M. & Quandt, T. (Hrsg.). Die neue

Kommunikationswissenschaft. Theorien, Themen und Berufsfelder im Internet-Zeitalter.

Eine Einführung. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 215-234.

Altmeppen, K.-D. & Karmasin, M. (2003a). „Medien und Ökonomie – Intentionen und Überblick“. In: Altmeppen, K.-D. & Karmasin, M. (Hrsg.). Medien und Ökonomie. Band 1/1. Grundlagen der Medienökonomie: Kommunikations- und

Medienwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 7-17.

Altmeppen, K.-D. & Karmasin, M. (2003b). „Medienökonomie als transdisziplinäres Lehr-und Forschungsprogramm“. In: Altmeppen, K.-D. & Karmasin, M. (Hrsg.). Medien und Ökonomie. Band 1/1. Grundlagen der Medienökonomie: Kommunikations- und Medienwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 19-51.

Altmeppen, K.-D. & Karmasin, M. (2003c). „Medien und Ökonomie – vielfältige

Perspektiven, perspektivische Vielfalt“. In: Altmeppen, K.-D. & Karmasin, M. (Hrsg.).

Medien und Ökonomie. Band 1/2. Grundlagen der Medienökonomie: Soziologie, Kultur, Politik, Philosophie, International, Geschichte, Technik, Journalistik. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 7-13.

Faulstich, W. (2004). „Medienökonomie“. In: Faulstich, W. (Hrsg.). Grundwissen Medien. 5.  Auflage. München: Wilhelm Fink Verlag, S. 34-50.

Karmasin, M. (2005). Paradoxien der Medien. Über Widersprüche technisch erzeugter Wirklichkeiten. Wien. Facultas, S. 69-85.

Felix qui potuit rerum cognoscere causas  

 

 

Gemäß dem Vergilschen Motto bietet die Augustinus-Akademie ein Studienforum zur geistigen Neuorientierung, Vertiefung eigener Schwerpunkte und Erweiterung und Ergänzung vorhandener (Er-)Kenntnisse.  Viele Gelehrte sind angefüllt mit einer selbst erarbeiteten Wissenschaft, oft erweisen sie sich aber als ungeeignet, durch ihr Wissen einen besonderen Eindruck auf die Mitmenschen zu machen, also ihr Wissen adäquat weiterzugeben. Selbst Kult-Wissenschaftler Albert Einstein gehörte zu solchen. Als lehrender Professor an  der Vorgängeruni der Humboldt-Universität versagte er komplett. Es gibt nicht wenige Gelehrte, die ihr geistiges Werk für sich behalten oder es nur im kleinen Kreis präsentieren, sie gelten als "Privatgelehrte". Andere drängt es zur Arbeit am Schreibtisch und späteren Publikationen, von denen sich hier durch kleine oder größere wissenschaftliche Aufsätze einige wiederfinden. Im wissenschaftlichen Austausch kann es es anstehen, die Rede- und Lehrkunst zu erlernen. Vom stillen Leser und Lerner entwickelt man sich zum sozial denkenden Wissenschaftler, der in der Studiengruppe seine Position hat, Wissen weitergibt und annimmt. 

 

Ästhetik-Professor Bazon Brock findet eine ganz eigene Definition von "Akademie":

 

"Die Akademie ist der Versuch, eine Gemeinschaft zu bilden, die dem Academus entspricht, eine Akademie ist ein Zusammenschluß von Menschen, die sich in anstrengenden Zeiten, vornehmlich in Zeiten des Analphabetismus und der allgemeinen Zerstreuung durch kriegerische oder sonstige evolutionäre Prozesse wechselseitig garantieren, daß das, was sie tun, sinnvoll ist. Wir schreiben, wir malen, wir musizieren, wir komponieren und spielen Theater.

 

D.h. eine Akademie wäre ein Zusammenschluß von Menschen, die sich als Schreiber garantieren, daß das Schreiben einen Sinn hat, weil es Leute gibt, die es lesen: nämlich alle anderen Mitglieder der akademischen Gemeinschaft, denn das ist sehr sinnvoll, wenn wir zur Gemeinschaft des akademischen Typs gehören; dann übernehmen wir die Verantwortung dafür, daß Schreiben, Musizieren, Malen sinnvoll von den Malern, Schreibern, Komponisten betrieben werden kann, weil es Leute gibt, die lesen, betrachten, die zuhören und zwar wirklich auf der Ebene der Gleichwertigkeit  des Rezipienten zum Produzenten.

 

 Das hat eine sehr mäßigende und erzieherische Maßnahme, nämlich wenn wir 100 Akademiker in einer  Gemeinschaft hätten, dann könnte jeder Schreiber, um eine Seite zu publizieren nur die Möglichkeit, gelesen zu werden, einklagen, indem er 99 Seiten seiner Kollegen liest.

 

Es ist nur derjenige "Maler", der würdigt, was andere gemalt haben, sonst ist es sinnlos, Maler zu sein. Also sind Akademien heute dringender als je zuvor, Zusammenschlüsse von Leuten, die die Sinnhaftigkeit ihres eigenen Tuns in aller gutsinnigsten Weise begründet haben möchten: diejenige Vergesellschaftung, in der man sich gegenseitig Sinnhaftigkeit garantiert."

 

                     Prof. Dr. Bazon Brock: Kunst als unabdingbare Kritik an der Wahrheit, Vortrag vom 29. Januar 2014

                                                                                                  Bazon Brock ist Rektor der DENKEREI in Berlin SO36