Vom Sinn des Spielens als ästhetische Erziehung des Menschen

 

 Ramin Rowghani

 

Friedrich Schiller wandte sich nicht nur, wie allgemein angenommen, der Literatur und sprachlichen Raffinessen zu, sondern auch zeitweise der Analyse des "Spiels" bzw. "Spielens". Verfasste Briefe an den Augustenburger, eigentlich an Prinz Friedrich Christian von Schleswig-Holstein Augustenburg , bzw. inspiriert durch diesen Schritt, führte ... "über die ästhetische Erziehung des Menschen". Im 15. Brief wird vielfach ein Satz zitiert, insbesondere dann, wenn ein häufig Spielender (vielleicht zu häufig Spielender) ein Spieler seinem Spiel den klassischen Ursprung unterjubeln will: "Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist!“

 

Vielleicht ging es Schiller um Aspekte der Gesellschaft, Politik, Bewußtsein und Verantwortung. Schiller nimmt Bezug auf die Fähigkeit des Individuums, freiheitlich Entscheidungen zu führen, sei es politisch, sei es sozialer Natur, hierbei nimmt er sich "das Ästetische" zu Hilfe, also Kunst und Schönheit. Anders formulieren würde es der Ordinarius für Ästhetik Bazon Brock, der bis heute jahrzehntelang Ästhetik lehrt (vgl. Brock, B.: Ästhetik als Vermittlung, Köln 1977).

 

Für Schiller konnte die Kunst ein Indiz des Spielenwollwns sein. Was Marxisten verbieten ließen (Verbote öffentlichen Spielens u.a. durch Mao, Fidel Castro und Erich Honnecker) führte z.B. Fröbel zu Lebzeiten der Linksideologen Marx und Engels in seinen Kindergarten exemplarisch ein.

 

Das Spiel steht im Focus der Frobelschen Kindergärten, Friedrich Wilhelm August Fröbels (1782–1852) Spielfunktion war das Proben der Realität, ein Üben, in die Gesellschaft hineinzutreten. Fröbel und Schiller verfolgten das gleiche Ziel, wenn Schillers Worte in seinem neunten Brief betrachtet: "Alle Verbesserung im Politischen sollte von Veredelung des Charakters ausgehen".....(das pädagogische Mittel für ihn war:) das Spiel, um von dem Leben, das so schon schwer genug ist abzulenken".

 

Spieltheoretiker analysieren zahlreich und detailliert, wie das Spiel zur Selbsterfahrung führt, zum Spaß, zum Können und Wissen gereicht. Verfechter des Spielens argumentieren mit dem Zweck, Wissen und Können lassen sich vertiefen oder erwerben.

 

Sogar medienpsychologisch relevante verhaßte Tele-, Internet-, Konsolen und Gameboy(-ähnliche) Kriegs- und Kampfspiele werden als Mittel zum Wissenserwerb verteidigt. Kriegsschauplätze, wie grausam sie auch wirken mögen, könnten theoretisch den Wissenserwerb (etwa verschiedene Völker und Länder kennenlernen) fördern. Das Spiel als "Selbsterfahrung " aber ist vom Spieler selbst niemals zum Sinn des Spielens herangezogen worden, obwohl gerade die Selbsterfahrung für die Pädagogik und Psychologie von entscheidender Bedeutung ist.

 

Nicht das Inhaltliche spielt die Rolle, ein Spiel, das zu keinem Wissenserwerb führen kann, befähigt zu anderem: es kann im Idealfall Erfahrung im Selbstexperiment bieten, z. B. eine Analyse (als Selbst-Analyse oder von außen betrachtet): wie geht der Spieler mit dem Gewinner um. Was kann das Verlieren bedeuten, mit welcher Haltung? Zahlreiche psychologische Mechanismen lassen sich durch das Spiel erkennen. Persönlichkeitsstrukturen guter und schlechter Verlierer resultieren wohl aus Sozialisationsstrukturen.

 

Viele Schichten verteufeln das Spielen als sinnlosen Zeitvertreib und räumen und verbieten ihren Kindern keinen oder wenig Platz zum Spielen ein. Ggf. Wissens- und Lernspiele werden von eifrigen und ehrgeizigen Eltern geduldet oder gefördert, Spiele ohne (schnell erkennbaren) Sinn hingegen leichtfertig untersagt.

 

 

Friedrich von Schiller erkannte schon damals was heute ebenso gilt: Der Nutzen ist das große Idol der Zeit, dem alle Kräfte fronen und alle Talente huldigen sollen ", was in der Leistungsgesellschaft des 21. Jahrhunderts gilt. Ein Spiel und der Spieler vermögen so vieles auszulösen und zu entdecken und zu Tage zu bringen. Die Aufgabe des Spiele Anleitenden oder Erziehenden in der pädagogischen Arbeit war, bleibt und wird immer mehr und das gerade im Digitalen Zeitalter sein, das Achtgeben auf den sinnvollen, zeitlich vorteilhaften und genußvollen Umgang mit Einsatz des Spiel(ens).

 

R.R.

 

Literatur:

 

-Brock, B.: Ästhetik als Vermittlung, Köln 1977)

-Schiller, F: Über die ästhetische Erziehung des Menschen, Ausgabe Ditzingen 2000

-Hoffmann, J. Spiele fürs Leben. Historischer Roman um Friedrich Fröbel, Rudolfstadt 1971

Felix qui potuit rerum cognoscere causas  

 

 

Gemäß dem Vergilschen Motto bietet die Augustinus-Akademie ein Studienforum zur geistigen Neuorientierung, Vertiefung eigener Schwerpunkte und Erweiterung und Ergänzung vorhandener (Er-)Kenntnisse.  Viele Gelehrte sind angefüllt mit einer selbst erarbeiteten Wissenschaft, oft erweisen sie sich aber als ungeeignet, durch ihr Wissen einen besonderen Eindruck auf die Mitmenschen zu machen, also ihr Wissen adäquat weiterzugeben. Selbst Kult-Wissenschaftler Albert Einstein gehörte zu solchen. Als lehrender Professor an  der Vorgängeruni der Humboldt-Universität versagte er komplett. Es gibt nicht wenige Gelehrte, die ihr geistiges Werk für sich behalten oder es nur im kleinen Kreis präsentieren, sie gelten als "Privatgelehrte". Andere drängt es zur Arbeit am Schreibtisch und späteren Publikationen, von denen sich hier durch kleine oder größere wissenschaftliche Aufsätze einige wiederfinden. Im wissenschaftlichen Austausch kann es es anstehen, die Rede- und Lehrkunst zu erlernen. Vom stillen Leser und Lerner entwickelt man sich zum sozial denkenden Wissenschaftler, der in der Studiengruppe seine Position hat, Wissen weitergibt und annimmt. 

 

Ästhetik-Professor Bazon Brock findet eine ganz eigene Definition von "Akademie":

 

"Die Akademie ist der Versuch, eine Gemeinschaft zu bilden, die dem Academus entspricht, eine Akademie ist ein Zusammenschluß von Menschen, die sich in anstrengenden Zeiten, vornehmlich in Zeiten des Analphabetismus und der allgemeinen Zerstreuung durch kriegerische oder sonstige evolutionäre Prozesse wechselseitig garantieren, daß das, was sie tun, sinnvoll ist. Wir schreiben, wir malen, wir musizieren, wir komponieren und spielen Theater.

 

D.h. eine Akademie wäre ein Zusammenschluß von Menschen, die sich als Schreiber garantieren, daß das Schreiben einen Sinn hat, weil es Leute gibt, die es lesen: nämlich alle anderen Mitglieder der akademischen Gemeinschaft, denn das ist sehr sinnvoll, wenn wir zur Gemeinschaft des akademischen Typs gehören; dann übernehmen wir die Verantwortung dafür, daß Schreiben, Musizieren, Malen sinnvoll von den Malern, Schreibern, Komponisten betrieben werden kann, weil es Leute gibt, die lesen, betrachten, die zuhören und zwar wirklich auf der Ebene der Gleichwertigkeit  des Rezipienten zum Produzenten.

 

 Das hat eine sehr mäßigende und erzieherische Maßnahme, nämlich wenn wir 100 Akademiker in einer  Gemeinschaft hätten, dann könnte jeder Schreiber, um eine Seite zu publizieren nur die Möglichkeit, gelesen zu werden, einklagen, indem er 99 Seiten seiner Kollegen liest.

 

Es ist nur derjenige "Maler", der würdigt, was andere gemalt haben, sonst ist es sinnlos, Maler zu sein. Also sind Akademien heute dringender als je zuvor, Zusammenschlüsse von Leuten, die die Sinnhaftigkeit ihres eigenen Tuns in aller gutsinnigsten Weise begründet haben möchten: diejenige Vergesellschaftung, in der man sich gegenseitig Sinnhaftigkeit garantiert."

 

                     Prof. Dr. Bazon Brock: Kunst als unabdingbare Kritik an der Wahrheit, Vortrag vom 29. Januar 2014

                                                                                                  Bazon Brock ist Rektor der DENKEREI in Berlin SO36